Gedichte - Archiv

Hier sehen Sie weitere Gedichte von Peter Hacks. Alle hier veröffentlichten Gedichte sind urheberrechtlich geschützt © Eulenspiegel Verlagsgruppe.

Sommergedicht

Rote Sommer

 Derweil der große Haufen sich, in überengen
Behältern drangvoll duldend wie auf Viehtransporten,
Aus Deutschlands nördlich milden Breiten oder Längen
Hinquält zu seinen grauenhaften Urlaubsorten,

Sommergedicht – August

Die Forelle

In einem Bächlein helle
Wohnt die Forelle drin,
Die mannhafte Forelle,
Der Bienen Königin.

Spätestens zu Pfingsten hört selbst bei den Riesen das Zanken auf. Also: frohe, friedliche Feiertage in die Runde – von Peter Hacks.

 

DER GROSSEN RIESEN LANGER TAG

Im Winter da schlafen die Riesen,
Bewegen keinen Zeh.
Aus ihren Nasen kommen Wolken,
Die falln herunter als Schnee.

Im März erwachen die Riesen
Und setzen auf die Brill
Und ziehen an den Schlafrock.
Sie frühstücken im April.

Triumphbogen in Paris verhüllt

 

FIN DE MILLENAIRE

Wer nie vom Schönen je vernahm, vermißt nichts.
Ein Bürokrat sucht Intendanten aus.
Müller kann nichts, weiß nichts, ist nichts.
Ein Irrer wickelt Lappen um ein Haus.

Ich gähne nur in jedem solchen Falle.
Gegen den Niedergang kommt keiner an.
Ich laß sie machen, weil ich sie nicht alle
In einem Dahmesee ersäufen kann.

Ja, wenn ich könnte. So verkroch ich mich
In einer Grotte des Jahrtausendendes,
Wo mich ein Schlafbedürfnis, ein horrendes,
Bis zur Betäubung übermannte. Ich,
Der ich rein körperlich zum Müdsein neige,
Vergebt mir, wenn ich keinen Zorn mehr zeige.

 

(aus Werke Bd. 1, Die Gedichte, S. 288)

Zu Lessing Zeit

Zu Lessings Zeit regierte in Preußen ein

Gewisser Friedrich. Metternich war ein hoher

Politiker der Phase des Byronism.

Zum ersten Mai

Zum ersten Mai
Ich mag einmal nicht klassenkämpfen.
Das soll man im November tun.
Ich will zum Lied die Leier dämpfen
Und waldwärts ziehn auf Flügelschuhn.

Zum Herbst

WECHSEL

Zwischen den Äckern im Sommer der räderzerrüttete Sandpfad.
Aber wie anders im Herbst. Eingebracht ist das Korn,
Und es belebt die gewaltsam umbrochne staubige Fläche
Nur des geduldeten Pfads halmreich befestigte Spur.

 

Zum Tag der Befreiung, zum Tag des Sieges

 

TRAUMSTADT

Baut eine Stadt, wo keine Pflicht noch Plage drückt,
Ein Dach der Muse, Heimstatt allem Heiteren,
Wo unbefragt ihr wandelt nach Woher, Wohin
Und euch das Schicksal immerwährend Körner streut.

Baut eine Stadt, in deren knospendem Gebälk
Die Liebe wehet wie in einem Blütenzweig,
Wo Herz zu Herzen still wie Ros zu Rose schwebt,
Vom Wind der reinen Neigung einzig hingelenkt.

Baut eine Stadt, erbaut sie nach der Träume Schnur,
Vom Stoff der Kühnheit, auf Entschlusses Fundament,
Wo ihr euch selbst begegnet, eurer Wirklichkeit,
Denn wie ihr leben wolltet, lebtet ihr ja nicht.

 

(aus Werke Bd. 1, Die Gedichte, S. 101)

Zur Erinnerung

Chorlied an die Muse
Wenn du den Krieg rühmst, Muse, als Troßweib dann wirst du reisen,
Ausgeschlaucht, syphilitisch, dem schmutzigsten Landsknecht zu Willen,
Zu deinem Publikum von Krüppeln.
Morgens trommelst, abends am Schindanger endest du.
Aber im Dienste des Friedens, Himmlische,
Der Götter Hochzeiten singend, der Männer Festmahl,
Klingen süß deine Lieder wie die der Schwalbe im jungen Lenz,
Machst du die Menschen freundlich und bauest in ihren Herzen dir
Eine unvergängliche Wohnung.