Die Bayernpartei ist gegen
Auswanderung deutscher Juden

I
Ihr guten Juden dürft uns nicht verlassen;
Das heißt, sofern ihr nicht aus Polen seid.
Ihr wart uns stets die liebste aller Rassen,
Und eure Reisewut ist kaum zu fassen –
Wir glauben schier: euch fehlts an Dankbarkeit.

Wem soll denn jetzt das Ausland traun?
Wo kauft man billig ein?
Wer soll denn jetzt Spitäler baun
Und wahrhaft christlich sein?

Wer operiert den kranken Bauch?
Wer spielt nun den Mäzen?
Wer komponiert und zeichnet auch
Und stiftet für Museen?

Ihr fahrt jetzt fort, und gar mit euren Kassen,
Ganz ohne Aufsicht in die Welt hinaus.
Zu bösen Mauren, die die Juden hassen –
Von denen wollt ihr euch verprügeln lassen,
Und könntet das doch gradsogut zu Haus.


II
Euch gute Juden könn'n wir nicht entbehren.
Wir brauchen euch als geistigen Kontrast.
Von wem sonst sollen wir die Kinder lehren,
Daß sie gemeine Halsabscheider wären,
Wenn es euch einfach abzureisen paßt.

Wo fang'n wir nun zu plündern an
Und kaufen billig ein?
Bei was für Synagogen kann
Man jetzt recht christlich sein?

Die ganz modernen Bilder, hört,
Wer malt uns die geschwind;
Die so durchaus verachtenswert
Und gut verkäuflich sind?

Wie geht's uns nun, wenn sich die Leut beschweren,
Daß ihnen Arbeit fehle, Geld und Brot –
An wen befehln wir ihnen, sich zu kehren?
Bei wem verdient sich nun der Deutsche Ehren?
Wen – kurz gesagt – wen schlagen wir jetzt tot?



Typoskript aus dem Nachlass des Freundes Heinz Greul (im Dt. Kabarettarchiv, Mainz), mit dem er häufig für das Kabarett arbeitete, vor 1955