Reiche Gleichheit. Ökonomie bei Hacks.
Siebte wissenschaftliche Tagung zu Werk und Leben von Peter Hacks

  • Termin: Sonnabend, 15. November 2014, 10 bis 18 Uhrmagnushaus
  • Ort: Magnus Haus Berlin, Am Kupfergraben 7, 10117 Berlin


»[A]lle diese weltweiten und langanhaltenden Sachen nicht nur erzeugen, sondern in etwas Ruhe auch verteilen, das können nur wir« (HW XIII, 553), schreibt Peter Hacks in seiner Schrift »Georg Nostradamus oder Professor Fülberths Vorhersage« über den Unterschied zwischen sozialistischer und imperialistischer Ökonomie. Die Art und Weise, wie im Sozialismus produziert und verteilt werden kann, thematisiert Hacks in seinem Werk durchgängig.
Die siebte wissenschaftliche Peter-Hacks-Tagung griff diese Frage auf und beleuchtete das Thema der Ökonomie im Werk von Hacks aus unterschiedlichen Perspektiven. Unter dem Titel »Reiche Gleichheit« wurde insbesondere der Konflikt zwischen den wirtschaftspolitischen Ansätzen Ulbrichts und Honeckers und dessen Verarbeitung in den poetischen und theoretischen Äußerungen von Hacks dargelegt und diskutiert. Die Themen der am 15. November 2014 im Berliner Magnus-Haus vorgetragenen Referate reichten vom Zeitzeugenbericht über Vergleiche mit anderen Autoren und detaillierten Analysen einzelner Texte bis hin zu kreativen Modernisierungsvorschlägen. Den Moderatoren Klaus Rek und Detlef Kannapin gelang es, das Publikum auf die Vorträge einzustimmen und den engagiert geführten Diskussionen Struktur zu verleihen.

1. Herbert Graf eröffnete die Tagung mit einer Kritik an Hacks’ Drama »Die Sorgen und die Macht«. Als Mitarbeiter Ulbrichts hatte er 1963 einen Zeitungsartikel verfasst, in dem er sich von dem Stück enttäuscht zeigte. Hacks sei es nicht gelungen, die Einheit von evolutionären und revolutionären Veränderungen darzustellen. Die vielzitierte Passage »Und nehmt das Gegenteil«, die die manchmal unerfreulichen sozialistischen Verhältnisse dem Kommunismus gegenüberstellt, sei zu simpel und undifferenziert. Auch könne »Die Sorgen und die Macht« keineswegs ein Vorgriff auf das 1963 eingeführte Neue Ökonomische System gewesen sein, da das Stück lediglich kleine Produktionseinheiten zeige und auf diese Weise den Systemcharakter der Wirtschaftspolitik Ulbrichts nicht erfasse. Der von Hacks dargestellte dramatische Konflikt sei kein systemimmanentes Problem, sondern auf die Verantwortungslosigkeit Einzelner zurückzuführen.
Graf, der diese Kritik inhaltlich erneuerte, wies indes mit Blick auf seine eigene Rolle damals darauf hin, dass er ein künstlerisches Werk bloß nach rationalen, ökonomischen Maßstäben bewertet habe. Lobend hob er hervor, dass in jenen Tagen eine öffentliche Debatte geführt wurde, während Theater heute lediglich Bedeutung für einen elitären Kreis von Personen habe und kein gesellschaftliches Ereignis mehr sei. Abschließend schilderte Graf Probleme der Konzeption einer sozialistischen Wirtschaftspolitik sowohl aus theoretischer als auch konkret-historischer Sicht.
In der anschließenden Diskussion wurde gefragt, ob es Möglichkeiten für Künstler gegeben habe, in ökonomische Überlegungen der Parteiführung und Wirtschaftsplanung eingeführt zu werden. Graf erwiderte, den Künstlern habe es an Initiative gemangelt, während die Ökonomen überlastet gewesen seien. Umstritten blieb, ob der in »Die Sorgen und die Macht« entfaltete Konflikt geeignet sei, Probleme und Widersprüche des Sozialismus in der NÖS-Zeit, wie beispielsweise die Diskrepanz zwischen Quantität und Qualität in der Produktion, adäquat darzustellen. Dabei wurde auf unterschiedliche Funktionen und Herangehensweisen von Künstlern und Ökonomen aufmerksam gemacht.

2. Leonore Krenzlin verglich mit Volker Brauns »Kipper Paul Bauch«, Peter Hacks’ »Die Sorgen und die Macht« und Heiner Müllers »Der Bau« drei Produktionsstücke der DDR-Dramatik, die Ulbrichts Forderung, die Kunst solle sich stärker mit der Ökonomie in Beziehung setzen, auf sehr unterschiedliche Weise entsprechen. Während Braun, betonte Krenzlin, das Verhältnis von Mensch und – trotz einer Veränderung der Eigentumsverhältnisse nach wie vor entfremdeter – Arbeit in das Zentrum seines Stücks setzte, sei der Grundkonflikt bei Hacks der des Widerspruches von Quantität und Qualität, woraus die Forderung nach einer veränderten Haltung der Produzenten zu ihrer Produktion und der damit verbundenden Aufgabe kurzsichtiger Einzelinteressen resultiere. Bei Müller indes werde der dargestellte Widerspruch von zentraler Wirtschaftsplanung und den realen Bedingungen der Produktion essentiell, bleibe aber unaufgelöst. Krenzlin Tagung 14
In der Diskussion wurde auf die sowjetische Produktionsliteratur der 1920er Jahre verwiesen, aus der Müller Gegenstände und Motive lediglich entlehnt und abgeschwächt habe, wohingegen die Fragestellungen bei Hacks und Braun neu seien. Krenzlin bejahte dies, betonte jedoch die Leistung Müllers, dem es gelungen sei, sein Thema konzentriert und unter Verwendung beeindruckender sprachlicher Mittel in einem Stück abzubilden. Zudem sei es als Prognose zum Untergang der DDR noch heute aufführbar, während sich für die anderen beiden Stücke keine zeitgemäße Lesart finde. Dagegen wurde gehalten, dass Hacks’ Bearbeitung im Kontrast dazu zur Auseinandersetzung mit möglichen Verbesserungsvorschlägen anrege. Die Referentin erkannte daraufhin an, dass die Frage nach Verbesserungen in »Der Bau« tatsächlich wenig verhandelt werde und das Stück darunter leide.

3. Auch Bernd Stegemann thematisierte in seinem Vortrag »Die Sorgen und die Macht«, wenngleich auf gänzlich andere Weise als seine Vorredner: indem er den Stoff dramaturgisch auf seine Tauglichkeit für die künstlerische Darstellung der gegenwärtigen Finanzwirtschaft überprüfte. Aus dem verliebten Fabrikarbeiter Max Fidorra, der im Hacksschen Stück der Liebe wegen die Brikett-Qualität in seinem Betrieb zu verbessern anstrebt, wird ein verliebter Broker. Doch während der Konflikt im Sozialismus durch den gemeinsamen Plan lösbar sei, müsse eine Übertragung auf den Kapitalismus daran scheitern, dass individuelle Bereicherung als Triebfeder der Produktion keinem gesellschaftlichen Appell zugänglich sei. Das Scheitern jener versuchten Parallelisierung könne somit Schwachstellen der Finanzwirtschaft aufzeigen.
In der lebhaft geführten Diskussion wurde der Unterschied zwischen fiktivem Kapital und der Produktion von Gebrauchswerten betont. Interessant bleibe demnach die Übertragung des Grundkonflikts von »Die Sorgen und die Macht« auf den Produktionssektor, gerade weil auf diese Weise die Darstellung von entfremdeter Arbeit einer breiten Masse, die vornehmlich in Betrieben tätig sei, dargebracht werden könne. Stegemann erwiderte darauf, dass für ihn persönlich der Aspekt entfremdeter Arbeit weniger wichtig sei als der ökonomische Verwertungsprozess. Auf die von Rek aufgestellte These, eine unzureichende Beachtung der Warenproduktion sei ursächlich für den Zusammenfall des Sozialismus gewesen, wendete ein Zuhörer ein, dass dies ein Verständnis der Warenproduktion als einzig möglicher Gestalt gesellschaftlicher Produktion voraussetze, obwohl auch nicht warenförmige Produktionsweisen denkbar seien. Reges Interesse bestand an konkreten Vorschlägen zur Umsetzung der von Stegemann skizzierten Idee: Insbesondere wurde der Wunsch nach einer adäquaten inszenatorischen Betonung des im Referat herausgestellten Modellcharakters von »Die Sorgen und die Macht« geäußert.

4. Kai Köhler behandelte Hacks’ Bearbeitung von Goethes »Pandora« unter besonderer Berücksichtigung des Terminus »Arbeit« und des Verhältnisses von Natur und Kunst. Die auf der Bühne kaum sichtbare Handlung und die komplizierte Sprache erzeuge einen hohen Abstraktionsgrad, der sowohl die Aufführbarkeit als auch die Möglichkeit zur historischen Konkretion einschränke. Daher seien viele Lesarten möglich, insbesondere was die Zuordnung spezifischer Gesellschaftsformationen auf die beiden Handlungsstränge des Festspiels angehe, da es keinen Hinweis auf die Eigentümerschaft an den Produktionsmitteln gebe. Der dramatische Hauptkonflikt bestehe im Widerspruch von Aktionismus und Kontemplation als falsche Vereinseitigungen, die durch Prometheus und Epimetheus personifiziert dargestellt werden. Neben dieser, für das Festspiel wesentlichen Auseinandersetzung gebe es einen weiteren Konflikt zwischen einer auf Produktion und einer auf Konsumtion fokussierten Politik. Die Natur werde dabei als Grundlage der Produktion aufgefasst, ihre Erhaltung sei lediglich zur Bewahrung des menschlichen Fortschritts, nicht aber als Selbstzweck erforderlich. Das Naturschöne sei nur durch Kultur vermittelt ästhetisch, was aus der Beschreibung der die Utopie verkörpernden Pandora hervorgehe.
 Umstritten war im Publikumsgespräch vor allem die Frage nach Bedeutung und Ausprägung von Eigentümerbewusstsein in der DDR, die sich gedanklich an die nicht geklärten Besitzverhältnisse in »Pandora« anschloss. Köhler verwies hierzu auf den Chor, der das Proletariat verkörpere, und der über ein Halbbewusstsein verfüge, indem er durch das Fragenstellen auf Probleme hindeute. Seitens des Auditoriums wurde angemerkt, dass die Entstehung eines Eigentümerbewusstseins möglicherweise durch die Expansion der Produktionsstätten und die damit verbundenen komplexeren ökonomischen Verflechtungen erschwert werde. Zudem erinnerte man daran, dass der Hauptunterschied zwischen kapitalistischer und sozialistischer Wirtschaft im Verbleib des Mehrproduktes bestehe. Ferner wurde die Ansicht vertreten, dass man keine zu hohen Erwartungen an das Eigentümerbewusstsein der Proletarier stellen solle, und dabei auf Negativbeispiele für falsches Eigentümerbewusstsein verwiesen.

5. Die zweite Vortragsrunde begann mit einem Referat von Heidi Urbahn de Jauregui, die dankenswerterweise für die verhinderte Christiane Künzel eingesprungen war, zur Bedeutung gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse im Werk von Peter Hacks. Das Ziel einer sozialistischen Wirtschaftspolitik müsse sein, die Produktivität zu erhöhen, um diese an das Niveau der Politik anzupassen. Für den Dichter Hacks bedeute dies eine Verbesserung der Kunst im Dienste des Sozialismus. Das heutzutage in aller Munde geführte Leistungsprinzip müsse nach Hacks insbesondere für den Sozialismus als Zusammenspiel von Staatsmacht und Produktivität gelten, deren Voraussetzung die Vergesellschaftung der Produktionsmittel sei. Dabei könne ein Fortschritt in der Produktion durchaus mit temporären Rückschritten verbunden sein, wie Hacks in »Die Sorgen und die Macht« zeige. Urbahn de Jauregui betonte, dass Hacks’ Positionierungen historisch konkret auf die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Ansätze Ulbrichts und Honeckers bezogen seien. So verehre Hacks Ulbricht, weil dieser der Ökonomie besondere Beachtung schenkte, was sich in seinem Werk durch zahlreiche positive, an Ulbricht erinnernde Herrscherfiguren zeige, während er Honecker als unfähig beschreibe, da dieser die sozialistische Zwischenphase überspringen wollte und die Konsumgüterindustrie auf Kosten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stärkte.
Abschließend bemerkte Urbahn de Jauregui, dass Gleichheit und Reichtum im Kommunismus, zu dem der Sozialismus die Vorstufe bilde, ihren gegensätzlichen Charakter verlören.

6. Dietmar Dath verknüpfte Vernunft, Ästhetik und Wissenschaftstheorie mit Verweisen auf »Prexaspes« und »Jona«, womit er eine Rekonstruktion der Entstehung von Klassen unternahm. Die Menschheit strebe nach Reichtum und Gleichheit, Freiheit und Individualität, deren Vermittlungsmedium die Arbeitsteilung sei. Erst durch sie werde der Mensch zum Individuum, gleichzeitig schaffe die Arbeitsteilung jedoch Hierarchien, welche sich in Form gesellschaftlicher Klassen mit unterschiedlich günstigem Verhältnis zum gesellschaftlichen Reichtum konstituierten. Der Klassenkampf, das Aufbegehren gegen jene Hierarchien, sei in »Prexaspes« in die dramatische Situation des Widerstreits der Magier und Handelsleute überführt, die symbolisch für die Klassen der Parteikader und der Spezialisten im Sozialismus stünden.
Der Spielort Mesopotamien sei eine Metapher für rationales Kalkulieren und mathematisches Denken, das stets um die Wahrheit bemüht, während der Gegenstand der Kunst immer Wahrscheinlichkeit sei. Der Naturwissenschaftler als Figur stehe für das Ideal des allseitig entwickelten Individuums. Die Aufgabe eines Staates bestehe darin, die Entfaltung der Talente seiner Bürger bei gleichzeitiger Treue zur herrschenden Ideologie zu gewährleisten und ein optimales Verhältnis von Staatsmacht und Produktivität herzustellen.
An diese Forderung anknüpfend entwickelte Dath mithilfe der Stochastik und ihrer Vordenker einen dialektischen Erkenntnisbegriff. Kritisiert wurde der Stellenwert, den Dath der Arbeitsteilung beimaß, sei diese doch lediglich wie das Privateigentum eine Bedingung für die Warenproduktion. Reichtumsproduktion müsse auf einer komplexeren Stufe möglich sein. Des weiteren wurde die Frage aufgeworfen, ob der von Dath angesprochene Widerspruch zwischen dem Mathematiker Thomas Bayes und den rein empirisch arbeitenden Frequentisten, der im wesentlichen in der Frage nach der Zulässigkeit von stochastischen Vorhersagen auf Grundlage geringer beziehungsweise keiner Messdaten besteht, bei Hacks verhandelt sei. Dies bejahte Dath insofern, als Hacks gewusst habe, dass Gewinnung von Erkenntnis historisch funktioniere und dialektisch vermittelt sei.

7. Steffen Gnauck setzte sich mit Wert und Werttheorie in Hacks’ Schrift »Schöne Wirtschaft« auseinander, in der der Dichter 1987 die Frage nach dem Preis und Wert der Kunst stellte. Gnauck zufolge schaffe der Künstler als Monopolist ein Werk mit einem Tauschwert und hoffe darauf, dass sich dieser mit angemessenem Mehrwert realisiere. »Schöne Wirtschaft« sei als Antwort auf die ökonomischen Probleme
und Krisen der DDR in den 1980er Jahre zu verstehen; die Forderung nach einer Vergütung der Künstler nach dem Leistungsprinzip müsse demnach als bloße Metapher für die gesamte Wirtschaft verstanden werden. Marx und Engels hätten sich nur unzureichend mit Monopolen beschäftigt, doch Hacks’ Forderung nach der Bezahlung der Künstler gemäß dem Gebrauchswert ihrer Kunstwerke vernachlässige, dass sich der Warenwert durch die in ihm verwirklichte Arbeitszeit und nicht nach dem Gerechtigkeitsprinzip konstituiere. Auch durch Heranziehen der Grenznutzentheorie könne Hacks die Frage nach der Bestimmung des Werts von Kunstwerken nicht klären, da die spontane Preisbildung, aus jener Theorie resultierend, nicht dem Leistungsprinzip entspreche. Gnauck bemerkte, dass mit den nach der Arbeitszeit bemessenen Tauschwerten auch die darin enthaltene Arbeitsproduktivität getauscht werde, weshalb ein Tausch nur bei gleicher Arbeitsproduktivität der substituierten Waren gerecht sein könne, was Hacks nicht berücksichtige. In der bislang ungelösten Wert-Preis Transformation im Sozialismus sieht Gnauck das wesentliche Problem, sei doch das Wertgesetz fundamental für menschlich-kollektives Wirtschaften in allen Gesellschaftsformationen, weshalb eine exakte Bestimmung des Werts mithilfe einer mathematischen Formel notwendig werde, die es zu entwickeln gelte. Dath wendete ein, es gebe auch Ansätze zur stochastischen Lösung des Problems, was Gnauck mit der Begründung ablehnte, dass eine exakte Bestimmung des Wertes zur Überwindung des Kapitalismus unerlässlich sei.

8. Heinz Hamm beschloss die Tagung mit einem Vortrag über Walter Ulbrichts Neues Ökonomisches System und gewährte Einblicke in bisher unveröffentlichtes Material aus dem Nachlass von Hacks, der sich auch nach dem Ende der DDR intensiv mit Ulbrichts Wirtschaftskonzeption beschäftigte und diese als große, eigenständige und vollständige Theorie des Sozialismus lobte. Hacks habe Ulbricht als Bereicherung Stalins angesehen und aus seiner Theorie drei Wesensmerkmale des Sozialismus und seiner Ökonomie abgeleitet: das Epochenverständnis der Gesellschaftsformation Sozialismus, die Vergesellschaftung der Produktionsmittel sowie die Rolle des Staates, die der Referent im Zuge seines Vortrags näher erläuterte. Hamm betonte, Hacks habe den Sozialismus als eigenständige Gesellschaftsformation und nicht als Übergangsphase zum Kommunismus angesehen, in dem Hacks eher ein Ideal als einen real erreichbaren Zustand gesehen habe, während Ulbricht diesen immer noch anstrebte und ihn nur in näherer Zukunft nicht für verwirklichbar hielt. Wo Marx und Engels die vollständige Vergesellschaftung aller Produktionsmittel zum Ziel hatten, halte Hacks die Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel für ausreichend, um die Verteilung des Mehrprodukts im gesamtgesellschaftlichen Interesse zu gewährleisten. Hamm erklärte weiter, der Sozialismus sollte nicht anstreben, das Privateigentum an Produktionsmitteln vollständig abzuschaffen, da kleine Warenproduzenten wie Handwerker und Reparaturbetriebe unentbehrlich für einen funktionierenden Sozialismus seien. Der Sozialismus benötige einen starken und klugen Staat, in dem sich Parteiapparat und Spezialisten die Macht teilen sollten. Der Selbstverwaltung der Wirtschaft durch die Proletarier stehe Hacks ablehnend gegenüber. Marx und Engels hätten angenommen an, dass die Geschichte bei vergesellschaftetem Eigentum grundsätzlich anderen Gesetzmäßigkeiten folge. Dies habe man bislang nicht beobachten können, daher treffe diese These von Marx und Engels vermutlich nicht zu. Hamm referierte ferner, dass nach Hacks der Mensch, in den Zustand der freien Wahl versetzt, grundsätzlich faul sei, weshalb dem Staat die Aufgabe zufalle, den Menschen zu mehr Anstrengung zu zwingen. Diese von Hamm titulierte anthropologische Konstante der Faulheit wurde mit Verweis auf die Eingrenzung des »Zustands der freien Wahl« kritisiert, da ebenjener aufgrund der Beeinflussung der Subjekte durch gesellschaftliche und historische Umstände selten gegeben sei. Andere sahen die Bequemlichkeit nicht als inhärente, naturgegebene menschliche Eigenschaft, sondern bereits als Ausdruck des neuen sozialistischen Menschen. Auch stieß die These, der Sozialismus benötige das Kleinbürgertum und somit auch die Existenz von Produktionsmitteln in privater Hand bei Teilen der Hörerschaft auf Ablehnung. Berufsstände und Produktionsverhältnisse dürften nicht in kausalen Zusammenhang zueinander gesetzt werden. Es bestehe die Gefahr, dass kleine Warenproduzenten expandierten und zu Kapitalisten würden, was historisch durch Gesetze und die Einführung von halbstaatlichen Betrieben zu verhindern versucht worden war. Hamm wies derlei Bedenken als unbegründet zurück und stellte die Negation der Kategorie »Ware« durch die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln in Frage. Eine Gesellschaft ohne Kauf und Verkauf sei nicht möglich. Der theoretische Disput wurde ferner durch historische Fakten ergänzt. So wurde auf das Neue Ökonomische System als theoretische Folgerung aus dem Scheitern von Ulbrichts anfänglichem, radikal-planwirtschaftlichen Kurs zu Beginn der 1950er Jahre verwiesen. Auch wurde die Frage nach möglichen praktischen Erfahrungen von Peter Hacks mit der Ökonomie der DDR aufgeworfen, die durch Hinweise auf seine Kontakte zu Proletariern und seine genauen Recherchen durch Briefkorrespondenz mit für seine jeweiligen Vorhaben relevanten Personen beantwortet wurde.
Insgesamt war man sich über Hacks´Haltung zu konkreten wirtschaftspolitischen Strategien in der DDR einig. Dissens bestand vor allem im Bezug auf allgemeinere, systemtheoretische Aspekte. So herrschte Uneinigkeit in der Frage, ob der Sozialismus als kurze Übergangsphase, relativ eigenständige oder gänzlich autonome Gesellschaftsformation zu bewerten ist.  Diskutiert wurde zudem die Rolle des Kleinbürgertums beziehungsweise der einfachen Warenproduzenten innerhalb des Sozialismus. Einen weiteren Streitpunkt bildete die Anwendbarkeit und Notwendigkeit des Wertgesetzes im Sozialismus und Kommunismus und mögliche Alternativen zu diesem. Weitere Dokumente aus Hacks´ Nachlass könnten die beschriebenen Konflikte erhellen und zur Schärfung der Positionen beitragen.
Tagungsbericht von Kristin Bönicke

Das Tagungsprogramm der Konferenz 2008 finden Sie hier noch einmal im Überblick.
Die Konferenzbeiträge sind beim Aurora-Verlag im Band »Reiche Gleichheit. Ökonomie bei Hacks« erschienen.

  • Das Neue Deutschland veröffentlichte am 14. November 2014 ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Hacks-Gesellschaft Dr. Matthias Oehme. Den Artikel können Sie hier downloaden.
  • Die junge Welt berichtete am 18. November 2014. Den Beitrag können Sie hier downloaden.

 

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