Tagung 2017

 »Der erste Schritt ist allemal ein Stolpern«.
Hacks und Revolutionmagnushaus

Zehnte wissenschaftliche Tagung zu Werk und Leben von Peter Hacks

Am Sonnabend, 4.11.2017 fand im Magnus-Haus, Berlin die zehnte wissenschaftliche Tagung zu Werk und Leben von Peter Hacks statt.

Auf der Tagung gab Klaus Rek (Halle) einleitend einen Überblick zur Entwicklung von Hacks’ Haltung zur Revolution seit dessen Übersiedlung in die DDR. Als wesentliche Stationen nennt er für die späten 50er Jahre eine operative Tendenzkunst, die durch ein »didaktisches Theater« und Gesangstexte wie dem später in die Werkausgabe nicht aufgenommenen »Oktober-Song« gekennzeichnet ist; nach Werken des Übergangs, »Moritz Tassow« etwa, eine postrevolutionäre, klassische Phase während der relativen Stabilität der DDR in den späten 60er und den frühen 70er Jahren; eine Abwehr gegenrevolutionärer Tendenzen in den letzten anderthalb Jahrzehnten der DDR; und nach deren Ende eine noch einmal intensivierte Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Revolution und Konterrevolution sowie mit putschistischen Unternehmungen. Reks Fazit ist nicht ohne Skepsis, ob Hacks’ im Wesentlichen dramaturgischer Blick die tatsächlichen historischen Wirkkräfte in der DDR angemessen erfassen konnte.

Ein geplanter Vortrag von Jürgen Pelzer, der Hacks’ frühe operative Thea-terkonzeption in den kulturpolitischen Zusammenhang der Jahre 1956–61 eingebettet hätte, wurde leider abgesagt und ist erst im Jahrbuch 2019 veröffentlicht worden.

So folgten die Darlegungen von Kai Köhler (Berlin) zum Bild der Französischen Revolution bei Hacks. Hier geht es vor allem um das Fernsehspiel »Die unadlige Gräfin« von 1957, das in der Form klassizistisch geprägt ist und zugleich die Spontaneität aufrührerischer Volksmassen feiert. Darin zeigt sich ein Kontrast zu späteren, hierarchischen Konzepten, die mit der Hauptstadt die Bedeutung des Zentrums und in diesem die Rolle der führenden Persönlichkeiten betonen. Dabei überkreuzen sich die Frage danach, ob im Detail hässliche revolutionäre Vorgänge kunstfähig sind, und Hacksens Auseinandersetzung mit Verteidigern der Romantik.

Jakob Hayners (Berlin) Beitrag führt den Streit in die Gegenwart fort. Der Essay »Kunst und Revolution«, den Hayner zum Ausgangspunkt seiner Darlegungen nimmt, fasst zum einen die Position des klassischen Hacks zum Thema der Tagung zusammen. Zum anderen erweisen sich die Erkenntnisse von 1971 als Prüfstein für heutige Kunst, die sich als politisch und oppositionell versteht, aber sich im Bereich von moralisierenden Performances verliert.

Der Beitrag von Gregor Schäfer (Basel) wurde in Abwesenheit verlesen. Er zeigt die Tradition, in die sich das Denken von Hacks über die Revolution stellt und für die insbesondere die politische Philosophie von Hegel und Lukács steht. Es geht dabei darum, Revolution nicht allein als den Moment zu verstehen, in dem eine alte Ordnung zertrümmert wird, sondern den Aufbau einer neuen Ordnung als notwendigen Bestandteil der Umwälzung zu begreifen. Darüber hinaus unterscheidet sich die Revolution von einem bloßen Machtwechsel dadurch, dass ein prinzipiell Neues in die Welt tritt, das auch die Gegner der Umwälzung dazu zwingt, sich in dieses neue Feld der Auseinandersetzung zu begeben. Insofern dieses Neue durch die sozialistische Revolution das anarchische Gegeneinander, das die bürgerliche Gesellschaft auszeichnet, in ein prinzipiell nichtantagonistisches Miteinander überführt, schafft sie Raum für eine klassische Kunst, wie Hacks sie entworfen und ausgeführt hat. Wie sich aber die Gesellschaft aus einem naturhaft Gegebenen zu einem planvollen Vorgehen erhoben hat, so ist auch die sozialistische Klassik keine naive, sondern reflektiert ihre eigenen Voraussetzungen, um sie überschreiten zu können. Dies weist Schäfer im Detail durch die Entwicklung der politischen und ästhetischen Theorie von Hegel zu Hacks nach.
Johannes Oehme (Berlin) widmet sich der politischen Konkretion und damit dem Anlass der Tagung. Wenn es auch kein Werk gibt, in dem sich Hacks mit der Oktoberrevolution beschäftigt hat, so zeigen doch seine Entscheidung für die DDR und viele Äußerungen in Briefen, Gesprächen und Essays, wie sehr er die Revolution in Russland und die Folgen, die Kommunisten dann in Deutschland geschaffen haben, als Grundlage seines Schaffens ansah. Das gilt auch für die Zeit nach 1989, in der sich Hacks mit den Ursachen des Scheiterns befasste und dabei mit der Rolle, die die Sowjetunion für das Ende der DDR spielte. Oehme arbeitet heraus, wie Hacks nicht die Revolution als Fehler begriff, sondern die opportunistische Abkehr von revolutionärer Politik.

Eine Niedergangsanalyse vor der Niederlage ist der Kinderroman »Liebkind im Vogelnest« von 1984, den Felix Bartels (Eberbach) eingehend interpretierte. Dabei widmete er sich erstens der Raumstruktur des Werks, ihrem politischen Erkenntniswert wie ihren Widersprüchen in der Darstellung von Sozialismus und Kapitalismus. Zweitens zeigt er das politische wie psychodynamische Verhältnis der Hauptfiguren zueinander, das die Handlung prägt. Hieraus wiederum lassen sich Beziehungen von Privatem und Öffentlichem, von Kunst und politischer Aktion erschließen, die nicht ineinander aufgehen, doch in Hacks’ Roman vielfältig aufeinander bezogen sind. Dabei geht es Bartels zufolge um die »Restauration einer Revolution«, das heißt darum, dass nach Hacks die sozialistische Gesellschaft für eine Entwicklung im Inneren wie gegen das kapitalistische Außen eine Politik zurückgewinnen musste, die sich nicht lediglich auf den zerbröckelnden Erfolgen der Vergangenheit ausruhen durfte.
Die von Hacks bekämpften Kritiker des Sozialismus sahen wie er die Niedergangserscheinungen in der späten Honecker-Zeit, jedoch nicht in der mangelnden Bereitschaft der DDR zur Konfrontation und in ökonomischer Ineffizienz, sie erklärten Defizite an Demokratie und eine verhärtete Blockkonfrontation zu Ursachen. In dieser kulturpolitischen Konstellation, die ihm den Zugang zu Theaterbühnen erschwerte, wandte sich Hacks anderen Gattungen zu. Noch vor dem Kinderroman ist dies der Essay.
Hans-Edwin Friedrich (Kiel) widmete sich dem essayistischen Werk der Wende- und unmittelbaren Nachwendejahre, wobei er insbesondere die poetologischen Voraussetzungen entwickelte. Der Essay behandelt einen – bei Hacks fast stets historischen – Gegenstand; aber indem er ihn behandelt, meint er auch die Gegenwart. Saul Ascher in »Einer von meinen Leuten« und Voltaire in »Ödipus Königsmörder« sind dabei einerseits von Hacks als Identifikationsgestalten angelegt. Doch schwindet andererseits die historische Differenz nicht. Politische Umwälzungen treten zum einen als Konterrevolutionen auf, die Hacks mit dem Begriff der Fronde fasst. Tatsächliche Revolutionen wie die Französische aber schildert Hacks mittels einer Konstruktion, die eine mehrstufige Distanzierung von hässlichen Einzelheiten erlaubt und so eine Möglichkeit eröffnet, das Verhältnis von Teil und Ganzem dialektisch zu begreifen.

Eingeleitet wurde die Tagung von zwei weiteren Veranstaltungen. Thomas Keck richtete eine Lesung des Stücks »Der falsche Zar« ein, in dem es zwar nicht um eine Revolution geht, aber doch um eine erfolgreich betriebene gewaltsame Machtübernahme. Das Drama verhandelt an einem historischen Stoff aus der russischen Zeit der Wirren Konfliktlinien im Russland der Entstehungszeit 1996. Indem es gegen den »falschen Zaren« geht, geht es gegen Jelzin. Verhandelt wird also zugleich die »Restauration einer abgebrochenen Revolution«, von der Hacks 1998 sprach und die auf der Tagung mehrfach thematisiert wurde.
Nach zweijähriger Unterbrechung fand auch wieder ein Arbeitstreffen für junge Wissenschaftler und Künstler statt. Dabei stellte Kerstin Hohner (Leipzig) ihre weitgehend abgeschlossene Dissertation zum Rostocker Hinstorff Verlag vor, der in den 60er Jahren unter der Leitung von Kurt Batt und Konrad Reich ein auf Gegenwartsliteratur ausgerichtetes Profil entwickelte. Hohner legte insbesondere die kulturpolitischen und ökonomischen Grundlagen der Verlagsgeschichte dar.
Martin Brandt (Berlin) stand hingegen vor der Aufgabe, das Thema seiner Masterarbeit, die mit Ronald M. Schernikaus »legende« als Ansatzpunkt sowohl historische Realismusdebatten im Konfliktfeld von Adorno und Lukács als auch das Verhältnis von Avantgarde, Realismus und Postmoderne klären soll, genauer zu fassen. Beide Projekte wurden eingehend besprochen.


Das komplette Tagungsprogramm als Flyer zum Download.

Die Referate der Tagung sind im Jahrbuch 2018 der Peter-Hacks-Gesellschaft erscheinen.

 Mit freundlicher Unterstützung von:

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