Leitwort

Der Komponist Baby Faber hatte sich in Hacks’ frühen Münchener Jahren ein wenig seiner angenommen, erzählte ihm auch manche Begebenheiten und Erlebnisse.

Als die Nazis in zunehmendem Maße auf die Rassenfrage zu sprechen kamen, hatte Faber für angezeigt befunden, für eine Weile in einer psychiatrischen Anstalt Unterkunft zu suchen.

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Haltungen kann man nicht erläutern; Haltungen nimmt man ein
Peter Hacks

»Mein bester Wurf ist Eva«
magnushaus
Geschlechterverhältnisse bei Hacks
Achte wissenschaftliche Tagung zu Werk und Leben von Peter Hacks 2015

Termin: Sonnabend, 14. November 2015,
10 bis 18 Uhr
Ort: Magnus-Haus Berlin

Am Kupfergraben 7, 
10117 Berlin

Die achte wissenschaftliche Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft fand am 14. November 2015 im Magnus-Haus Berlin statt. Die acht Vorträge handelten von verschiedenen Aspekten des Themas Geschlechterverhältnisse bei Hacks, wobei die Referenten und Referentinnen vielfach auch Bezüge zu anderen Aspekten des Werks herstellten.

Die von Detlef Kannapin (Berlin) moderierte Vormittagssektion wurde von einem Vortrag von Constanze Kraft (Berlin) eröffnet. Kraft untersuchte die Bedeutung der Bibel für die Frauenfiguren von Hacks, wobei sie davon ausging, daß die über eine langen Zeitraum entstandene jüdisch-christliche Zusammenstellung von Büchern nur im Rahmen der gesamten Diskussion in der Antike verstanden werden kann. Folgerichtig beschäftigte sich Kraft nicht nur mit „Adam und Eva" und dem Verhältnis von Hacks' Deutung des Sündenfalls, sondern auch mit Dramen wie „Omphale" und „Pandora", zu deren Stoffen sie Entsprechungen in der Bibel zeigte.

Ella Wengerova (Moskau) grenzte sich von der Gefahr ab, mit dem Fokus auf Frauenfiguren einen biologistischen Blick auf Hacks' Werk zu werfen, und stellte stattdessen eine Typologie dieser Figuren vor, die sowohl den sozialen Status als auch die Haltung der Frauen berücksichtigte. Darüber hinaus informierte sie anschaulich über die Rezeption der von ihr übersetzten Hacks-Werke im gegenwärtigen Rußland.

Felix Bartels (Eberbach) entwickelte dagegen wichtige Züge von Hacks' Sicht auf Weiblichkeit anhand eines Einzeltexts, nämlich dem Gedicht „Auf der Suche nach der weißen Göttin". Hier spricht ein als männlich definiertes lyrisches Ich (dessen Entsprechung zum realen Dichter Hacks in der folgenden Diskussion zum Thema wurde), das in den individuellen Frauen stets einen Teil des Ganzen genießt, das aber ebenso stets die Einzelne abwertet, weil sie eben nicht das Ganze sein kann. Dieses Verhältnis von Begriff und Erscheinung, das Bartels auf die antike Nominalismus-Diskussion zwischen Platon und Aristoteles zurückführte, findet sich im Gedicht wieder in der allgemeineren Darstellung vom Verhältnis des Ich zu Frauen zum Verhältnis zur Welt.

Sebastian Speth (Magdeburg) wendete sich dem frühen Stück „Volksbuch vom Herzog Ernst" zu. Er verglich die Darstellung der Adelheid mit jener in den verschiedenen Fassungen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Überlieferung und interpretierte dann die Darstellung des Kaisers Otto und des Herzogs Ernst unter Rückgriff auf das von Ernst Kantorowicz entwickelte Konzept der zwei Körper des Königs. Deutlich wurde, daß diese Unterscheidung des individuellen, sterblichen Körpers einerseits, des politischen, die Zeit übergreifenden Körpers andererseits auch politische Vorgänge in einem Stück erklären kann, dessen Autor die Ideologie kritisieren wollte. Speth betonte, daß Hacks – entgegen Thesen in der vorliegenden Forschung – keine Modernisierung der Feudalgesellschaft geschildert habe, sondern das eingangs entwickelte Konzept von Herrschaft auch noch am Stückende gelte.

Der Vortrag von Daria Šemberova (Prag) eröffnete die von Heinz Hamm (Halle) geleitete Nachmittagssitzung. Šemberova zeigte, wie Hacks in seinem Drama „Rosie träumt" Motive aus verschiedenen Texten der Hroswith von Gandersheim kombiniert hat und wie – auf verschiedene Figuren verteilt – der christliche Kanon von Tugenden im Stück vorkommt. Dabei wertete sie weder den Kaiser Diokletian als Vertreter an Staatsnormen orientierter Gerechtigkeit ab, noch steht aus ihrer Sicht Roswith für einen irregeleiteten Utopismus. Vielmehr zeigte Šemberova die Frauenfigur als Vertreterin einer Tugend, die im Gegensatz zu gleichwertigen Tugenden steht.

Antje Budde (Toronto) stellte ihre „queer Observations" unter das programmatische Motto „Hacking Hacks". Einleitend schilderte sie die Geschichte des Hackens als eines feindlichen Eindringens in Computerprogramme mit dem Ziel, diese gegen ihre Anwender zu benutzen. Allerdings läßt sich aus ihrer Sicht Hacks kaum – wie der Untertitel hoffen ließ – als „Ingenieur querer / queerer Baustellen, imaginierter und spielerischer Welten" lesen. Der Großteil des Werks erscheint in dem multikulturellen Erlebensbereich, den Budde an ihrem Theaterdepartment in Toronto vorfindet, als irrelevant. Nur in den Kindergedichten sieht Budde einzelne Stellen, an denen herkömmliche Hierarchisierungen derart verwirrt werden, daß sie an die Maßgaben queerer Politik anschlussfähig sind.

Olaf Brühls (Berlin) Kritik an Hacks setzte dagegen an einem anderen Punkt an, nämlich an dessen Behauptung, den „Omphale"-Stoff für die Bühne gewonnen zu haben. Im ersten, historischen Teil seines Vortrags bewies Brühl, daß dieser Stoff im 18. Jahrhundert ein häufiges und viel diskutiertes Opernsujet war. Im interpretatorischen Abschnitt zu Hacks' „Omphale" plädierte Brühl dafür, Drama und Opernlibretto nicht als Texte über einen (scheiternden) Geschlechtertausch zu lesen, sondern über Politik in Kriegszeiten, wobei er Herakles als exemplarische Darstellung eines klugen Akteurs las. In einem dritten Abschnitt ging Brühl vom Thema des Geschlechtertauschs auf das der Homosexualität über, wobei er dafür plädierte, dass in einer befreiten Gesellschaft Homosexualität nicht als (wenn auch tolerierter) Sonderbereich bestehen könne, sondern in den generellen Umgang von Menschen miteinander integriert werden müsse.

Hannah Lotte Lund (Berlin) nahm sich Hacks' späten Essay „Zur Romantik" vor und darin die Darstellung der von Hacks so benannten „Trossweiber" Rahel Varnhagen und Pauline Wiesel. Beiden – so Lund – wird Hacks nicht gerecht. Insbesondere die Kritik an Varnhagen ist schwer verständlich, denn im Streit zwischen Klassik und Romantik war Varnhagen keineswegs eindeutig den Romantikern zuzuordnen, sondern stand vielmehr im Austausch mit Goethe. Weshalb Hacks statt für seinen Zweck geeigneterer Frauen Pauline Wiesel als eines von zwei Beispielen für „Trossweiber" abwertete und Rahel Varnhagen als Nebenfigur angriff, muß noch geklärt werden.

In dieser Hinsicht steht Lunds Vortrag exemplarisch für die Tagung, die eine Vielzahl von Einzelaspekten zeigte und sie je nach Herangehen sehr unterschiedlich bewertete. Sie ging damit über die grundlegenden Forschungen Heidi Urbahn de Jaureguis zu Hacks' Frauenbild hinaus, ohne daß eine neue Synthese der Erkenntnisse gelang.

Dr. Kai Köhler

Das komplette Tagungsprogramm als Flyer zum Download.

Die Referate der Tagung sind im Aurora Verlag im Hacks-Jahrbuch 2016 erschienen.