Die Golden Sixties der DDR, in denen die Wirtschaft gedieh, die Kultur blühte und die Parties rauschten, sind in Hacks' Erinnerung verkörpert in Gestalt des Julklappkränzchens. Die hauptsächlichen Cadres des Kränzchens waren vier Ehepaare, Hacks und Wiede, Manfred Krug und seine Frau Ottilie, Guy de Chambure und die Schauspielerin Christine Gloger vom Berliner Ensemble und die Nichtdrehbuchautoren Heinz Kahlau und Gisela Steineckert; die letztern lebten von Drehbüchern, welche die Defa regelmäßig ankaufte, aber niemals verfilmte.

Das Kränzchen-Ritual bestand darin, daß jeder einen antiken Trödel (worunter in jenen glücklichen Tagen jeder kunstgewerbliche Gegenstand bis zurück zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts verstanden wurde) in unförmiger Verpackung mitbrachte; hiergegen wählte der Bringer sich eins der anderen Päckchen und hatte sich dann bei dem Tausch verbessert oder verschlechtert. Julklapp konnte zu jeder beliebigen Jahreszeit begangen werden. Der Brauch kam später mit dem Ende der gräflich Chambureschen Ehe abhanden oder einfach mit den sechziger Jahren.

Einmal hatte die Julklapp-Organisation den Wunsch, Wolfgang Langhoff zu Gast zu bitten, der, schon Witwer, eben im Begriff war, am Lungenkrebs zu sterben. Er kam bei einem Urlaub zwischen den Bestrahlungen, er war liebenswürdig geblieben und zeigte Anflüge von Rührung. Ich kann nicht sagen, erzählt Hacks, wie er sich fühlte. Alle diese kommenden Leute, alle jung, dumm, hübsch, gesund, alle tüchtig und alle in ihrer Laufbahn begriffen, standen für die DDR und liebten ihn; vielleicht ja vermochte er, dem Leben und, wenn er hierfür nicht zu angegriffen war, dem Tode an diesem Abend noch etwas abzugewinnen.

 

Aus: Was ist das hier?
130 Anekdoten über Peter Hacks und dreizehn anderweitige

von Pasiphae

Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003
ISBN 978-3-359-01305-1
Gebunden, 96 Seiten, 9,90 EUR