»... und nehmt das Gegenteil«
Gesellschaftsutopien bei Peter Hacks

Fünfte wissenschaftliche Tagung zu Werk und Leben von Peter Hacks

tagung1kAm 2. und 3. November 2012 fand in Berlin die fünfte wissenschaftliche Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft statt, diesmal zum Thema: »›... und nehmt das Gegenteil‹. Gesellschaftsutopien bei Peter Hacks«.

Zum Auftakt beschäftigte sich Dr. Dieter Kraft, Berlin, mit der Genese und den historischen Umdeutungen des Begriffs Utopie. Man müsse vor allem zwei Grundformen unterscheiden: Zum einen die radikale Alternative, wie sie Thomas Morus in seinem »Utopia« (1516) kommunistischer Prägung anbot, zum anderen die bloße Optimierung des Ist-Zustands (Francis Bacon).

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Anschließend sprach Felix Bartels, Osaka, über die Begriffe Utopie und Ideal bei Peter Hacks: Zentral sei das Ideal als Begriff vom und Forderung nach dem Optimum, das zwar nie ganz einlösbar sei, aber im Sinne des Fortschritts stets angestrebt werden müsse. In der Kunst fallen dieses Sein und Sollen ineinander. Bartels machte zudem drei Werkphasen aus: Im Frühwerk einen eher naiven Zugriff der Machbarkeit, die Ausformung des Ideal-Begriffs in der klassischen Phase und eine Spätphase, in der Hacks den Begriff Utopie als Deckmantel für den falschen Umgang mit dem Ideal gänzlich verwarf.

Dr. Detlef Kannapin, Berlin, konzentrierte sich auf die utopische Dimension des Politischen bei Hacks, die sich in seinem Optimismus hinsichtlich der KannapinErreichbarkeit des Kommunismus zeige: Der Staat diene als Scharnier des Fortschritts; sein Absterben im Lauf der Überwindung der Klassenverhältnisse sei (nur) über seine Vervollkommnung möglich, die wiederum die Mitwirkung aller an seiner Verwaltung erfordere.

Die folgenden Vorträge widmeten sich konkreten Werken.
Dr. Leonore Krenzlin, Berlin, sprach über die Entstehungsgeschichte des Dramas »Die Sorgen und die Macht«, in dem sich das utopische Moment in der Einsicht der Protagonisten in die Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Zustände zeige.

Jens Mehrle, Berlin, lieferte eine detaillierte Analyse des Gedichts »Das Vaterland« und der darin vorgestellten Nation als einer, die sich dem Klassenkampf verdankte, aber diesem schon entwachsen war.

Ute Baum, Dresden, und Dr. Kai Köhler, Berlin, behandelten aus unterschiedlicher Perspektive die Stückschlüsse: Baum interpretierte einige Schlüsse der späten Stücke als nicht aus der Figurenkonstellation erklärbare »Wunder«, die zu verstehen wären als Appell, den Tatsachen des Lebens angemessen entgegenzutreten, dann sei ein »Happy End« zumindest denkbar. Köhler versuchte eine Kategorisierung anhand der Frage, ob Stückende und Handlungsende zusammenfallen, und kam zu dem Fazit, dass die oft harten Schlusswendungen die im Stück ausgebreitete Lehre in ein Verhältnis setzen, das der gemischten Gefühlslage des Publikums entspricht, welches sich einerseits des Denkbaren bewusst, andererseits  im Machbaren gefangen ist.

SchlusspodiumDie abschließende Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Klaus Rek, Halle, kam sehr konzentriert auf das Kernthema der Tagung zurück und warf zahlreiche Fragen auf, die Anlass für zukünftige Forschungsarbeit bieten. Angerissen wurden Themenkomplexe wie Hacks' Stellenwert innerhalb der DDR-Literatur bezogen auf Utopie, utopische Entwürfe in seiner Kinderliteratur (»Liebkind im Vogelnest«), sein Verhältnis zu den von Dieter Kraft eingeführten klassischen Utopisten, Elite als zu verallgemeinerndes Potenzial und der Mensch als Mangelwesen bzw. der Sündenfall als Ausgangspunkt für Entwicklung und Utopien überhaupt.


 

  • Vortrag von Felix Bartels »Die Landkarte und die Landschaft. Zur Struktur des Idealbegriffs bei Peter Hacks« als Video