Die Christlich Soziale Union Bayerns
Parteiprogramm

Freilich hat es einst geheißen
›Gebt von dem was Ihr erhaltet
Auch den Armen!‹ Doch Wir wissen,
Diese These ist veraltet.

Die Theologie sagt heute
Etwa mit Herrn Bergengruen:
›Freue sich, wer nichts besitzet,
Aller Mangel bringt Gewinn.‹

Und auf diese Weise sind Wir
Die Partei der armen Klassen,
Die Wir nur aus Nächstenliebe
Unerhört gewinnen lassen.

Wir bezeigen Uns verwundert
Über solche dummen Fragen,
Warum Wir so feist gemästet
Und den andern knurrt der Magen.

›Wozu‹, meinen wir vernünftig,
›Braucht das dumme Volk zu essen,
Hat es doch die gute Aussicht
Auf das Himmelreich indessen.

Hat es doch die beste Aussicht,
Nur von Manna und von Kuchen
Sich zu nähren, warum soll es
Nicht inzwischen Krumen suchen?‹

 

Auch ist klar, daß die Partei
Strengstens patriotisch ist, denn
Was für Leute sind im Ausland?
Atheisten, Sozialisten.

Leute, welche alle Güter
Unter sich gemeinsam haben
Und dadurch Moral und Ordnung
Eines Staates untergraben.

Nein, der Drang nach Eigentum
Zählt seit jeher zu den steten
Deutschen Zügen, ist auch eine
Unsrer deutschsten Qualitäten.

So empören Wir mit Recht Uns
Über jegliche Beschwerden
Oder gar Kritik. Wir sind die
Kleinen Götter hier auf Erden.

Und es sagte einst der große
Gott, der Heiland, Fürst und König:
›Seid stets Euren kleinen Göttern,
Der Regierung, untertänig!‹

Sonst ergeht es Euch, wie Ahab,
Wie Jorobeam und Korah,
Welche Gottes Wort mißachtet
Und sich widersetzt der Thora.

Gottes fester Wille ist es,
Solches Volk zu ruinieren,
Und Wir sind allzeit beflissen,
Gottes Willen auszuführen.

Denkt daran, Ihr lieben Schäflein,
Das ist die Situation:
Niemand kommt zum Vater, außer
Durch die Christliche Union.


Typoskript aus dem Nachlass, vor Hacks' Übersiedlung in die DDR 1955, als er häufig für das Kabarett arbeitete