Ella Wengerowa (Moskau)
14.30 Uhr
/ »(…) mein Geschäft, die karge Saat der Zukunft /
/ Mit Zangen aus dem Boden hochzuziehn.« /
Veröffentlichungen von Hacks‘ Übersetzungen in Russland. Oder: Warum übersetze ich seit 45 Jahren Hacks ins Russische?
Die Germanistin und Nachdichterin Ella Wengerowa berichtet in ihrem Beitrag über ihre Verbindung zu Hacks und dessen Werk, das sie in einer Jahrzehnte währenden Arbeit übersetzt, publiziert und auf verschiedene Weise mit beharrlicher Begeisterung verbreitet. Just in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, deren politische und kulturpolitische Entwicklung in der DDR Hacks früh als bedrohlich für den Sozialismus kritisierte, und die er mit ihrer Hinwendung zur Romantik als »theatralische Sahelzone« beschrieb, wurde ihm öffentlich Anerkennung zuteil. Er erlebte auf den Bühnen mit »Adam und Eva«, »Das Jahrmartksfest zu Plundersweilern«, »Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe« und anderen Stücken große Erfolge und sein Werk gewann internationale Aufmerksamkeit. (Übersetzungen ins Englische, Französische, Ungarische, Tschechische, Russische, Finnische, Portugisische, Spanische, Italienische, Polnische, Japanische)
Beispielhaft ist Wengerowas Entdeckung des Autors für sich, die Sowjetunion und das Russische. Der Frage, wie Hacks in dieser Periode seines Werks gelang, was er seinen Moritz Tassow als Programm eines Schriftstellers in den 60er Jahren formulieren lässt, welcher Art also die »Zangen« waren, um welthaltige und poetische Werke zu schaffen, und wie das im Kontext der historischen Weltliteratur einzuordnen wäre, geht Wengerowa mit ihrem besonderen Blick auf sein Werk nach. Sie erkundet die Ursachen dafür in Hacks' Methode, Haltung, äußerster Scharfsinnigkeit und dichterischer Potenz, erkennt etwa die Vielfalt der Genre (Dramatik, Essay, Lyrik, Kinderliteratur), die Fähigkeit zur Anverwandlung von Mythen und Figuren und die Kraft und Relevanz von poetischen Metaphern in ihrer menschheitlichen Dimension.
Ella Wengerowa, geboren 1936 in Moskau, ist eine der profiliertesten Germanistinnen Russlands. Sie lehrte an verschiedenen Moskauer Universitäten Deutsch und promovierte 1970 zur »Gutenbergfrage«. Danach war sie viele Jahre an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften tätig, hatte dort eine Professur, arbeitete parallel an der Staatlichen Bibliothek für ausländische Literatur in Moskau, war Literaturkritikerin, Redakteurin und Herausgeberin im Verlag »Die Kunst«. Sie publizierte in zahlreichen Zeitschriften, so in der »Zeitschrift für internationale Literatur« und in der Theaterzeitschrift »Leinwand und Szene«, in der sie die Kolumne »Die fünfte Dimension« schrieb. Wengerowa ist Trägerin des Schukowski-Preises für Übersetzungen (2008) und des Goethe-Förderpreises (2020).
Aufzeichnung des Votrags und des anschließenden Gesprächs
Moderation: Dr. Ralf Klausnitzer