Gedichte - Archiv

Hier sehen Sie weitere Gedichte von Peter Hacks. Alle hier veröffentlichten Gedichte sind urheberrechtlich geschützt © Eulenspiegel Verlagsgruppe.

Gedicht zum 1. Mai

ERSTER MAI

Nach der Liebe müssen die Vögel schreien. Sonst hat es
Nicht gelangt. Überm Kopf lischet das Neon mir aus.
Aber wieviel Droschken schon, und bewimpelte? Richtig,
Unsern Jubeltag heut wollen wir durchführen und
Unter kraftvollem Einsatz bekunden, daß wir vor einem
Menschenalter gesiegt. Heim und zu Bett denn. Mich freun
Die in Wahrheit verschiedenen Grüns des Frühlings. Die Bäume,
Zeigt sich, vor deinem Haus waren als Linden gemeint.
Schön, wenn jedermann schafft, ist, abseits zu sein und zu feiern,
Schöner, bei jedermanns Fest liebend am Rande zu sein.

Gedicht zum Frühling

Ballade vom Herrn von Sack

Am Bach im Erlengrunde
B'hüt uns, Herre Gott
Ein Schloß schaut in die Runde,
Drin lebt bei Nacht und Tag
Der finstre Herr von Sack.
Er hat der Beine achte
Und Zähne wie die Hunde
Und heult wie Wolf und Eulen
Aus seinem tiefen Schlunde.

Gedicht zum Herbst

Das Unzuchthäuslein

Der Bauer hat ein Unzuchthaus
Mit holzgeschnitzten Wänden;
Da liegt das Gras ganz weich und kraus
Und kitzelt an den Lenden.

Gedicht zum Sommeranfang

Das Wasser ist voll Tücke

Das Wasser ist voll Tücke
Das Wasser ist voll Arg:
Es war zu Kiel die Brücke,
Wo sich mein Unheil barg.

Gedicht zum Spätsommer

Sentimentale Romanze vom Flussgott und dem Mädchen

Der Flußgott hockte alt und fett
Im schattigen Schilfgemenge
Und blies auf seinem Flageolett
Sididü sididadu
Verstohlene Sommerklänge.

Genesender Dichter im grauen November

 

ALTE CHARITÉ

So viele Schwestern hatte ich noch nie.

Ich bin im Bett und außer Leibsgefahr.

In meinem Bauchfleisch steckt ein Stück Charpie.
Der Arzt stellt gerne seine Krankheit dar.

Durch hohe Fenster blick ich in den Westen.
Von Osten blick ich und von oben her:

Aus jenem üblen von den deutschen Resten
In den, worin mir noch viel übler wär.

Novemberbäume stehn besonnt und kahl,
Es sind die gleichen hüben oder drüben.
Natur kann weder retten noch betrüben.
Den Möwen ist die Mauer ganz egal.
Aus fernem Dunst taucht rötlich eine Eule.
Es ist die Nike auf der Siegessäule.

 

(aus Werke Bd. 1, Die Gedichte, S. 263)

Gotisches Bild

Gotisches Bild


In einer Landschaft, die voll runder,
Bestielter, netter Bäume steht,
Verharrt ein Mädchen im Gebet
Und fleht um Wunder.

Heraus zur Demo!

Gedenkstätte der Sozialisten

Mit Ulbrichts Abschuß war wieder einmal
Ein freies Deutschland verloren.
Er endete nicht im Landwehrkanal.
Der lag in den Westsektoren.

 

 Der Mörder war wieder die SPD.
Der Brandt war Ulbrichts Noske.
Breshnew will Frieden an der Spree,
Meldeten die Kioske.

 

Zieh mollig an dein kleines Kind,
Es bläst ein Sturm, ein kalter.
Der rote Winterspaziergang beginnt
Zu Karl und Rosa und Walter.

 

(HW 1, 264)

IM ZWIEBELBEET

IM ZWIEBELBEET

Man hört so vieles Häßliche erwähnen.
Mal schlägt es diesen, und mal trifft es jenen.
Wer leugnets denn? Es kann auch uns erwischen.
Der Tätige beschäftigt sich inzwischen.

Imperialistische Bräuche

Mag das Land des lyrischen Ichs auch ausgelöscht sein und mögen Heiraten mit Zugereisten nun ihre Schwierigkeiten haben, so bleiben doch alle anderen Aussagen dieses Gedichts wahr:

HERODOT

Herodot schon kennt die erstaunenswerte
Vielfalt der Gebräuche. In meinem Land ist
Es erlaubt, eine Negerin als Gattin
Heimzuführen, doch streng ist mir verwehrt, das
Staatsoberhaupt zu töten. In den Staaten
Ist es wieder andersherum. So ging es
Zu, daß J. F. K. hinterlassen mußte: